Die Entdeckung der Langsamkeit

 

 

 


Sie hatten die Blüte ihres gastronomischen Lebens in den Achtzigern. Bis zur sensorischen Unkenntlichkeit in Kräuter- oder Knoblauchbutter ertränkt.Irgendwann hat der Handel nachgezogen und die Schnecken samt Sauce und Geschirr als Convinience-Produkt im Regal angeboten. Das Ende der Schnecke war nah.

Gemeinsam mit seiner Familie nimmt Andreas Gugumuck einen Faden auf, der allerdings weit länger zurück reicht, als meine persönliche Erinnerung (von der die ersten Zeilen geprägt sind). Gugumuck verweist auf eine alte kulinarische Tradition aus dem Wien der Jahrhundertwende und auch darauf, dass in praktisch jedem alten österreichischen Kochbuch Schneckengerichte zu finden sind.

Jetzt hat sich in der Zwischenzeit aber einiges verändert, und die Vorlieben moderner Genießer sind nicht mit denen von vor 100 Jahren zu vergleichen. Es gilt, die Kunst, des Schneckenkochens wiederzubeleben, also um neue Ideen und Rezepte zu erweitern, stimmig in aktuelle Trends zu positionieren und die Lust am Extravaganten zu wecken. Eines dieser Vorhaben sind die Schneckenkochkurse, die Andreas Gugumuck gemeinsam mit Peter Zinter in der Kochschule artcooking anbieten. Für das Menü wurden weitere Slow Food-affine Partner ins Boot geholt: das Sulmtaler Huhn, Mangalitzaspeck aus der Wiener Manufaktur Thum und Flußkrebse vom Gut Dornau.

Das Menü selbst liest (und kocht) sich vom ersten bis zum letzten Gang spannend und herausfordernd. Hier eine kurze Auswahl. Eröffnet wird der Reigen mit Cornetti mit Pastinakencreme und Schneckentartar. Dass Tartar von Rind und Saibling (nur als Beispiel) roh verspeist wird und dabei exzellent schmeckt wissen wir. Dass es bei Schnecken um nichts anders ist, ebenso. Jetzt. Es folgen marinierte Flußkrebse vom Gut Dornau mit Petersilwurzelcreme & sautierter Schneckenleber. Auch hier eine Überraschung. Das Aufschneiden, Identifizieren und Herausnehmen der Schneckenleber ist einfacher, als vermutet. Eine filigrane Arbeit zwar, wird aber durch ebensolche Aromen mehr als belohnt. Die Schneckenlebern gibt es übrigens auch solitaire zu kaufen. Im Öl von Erwin Gegenbauer schwimmend. Im Menü zieren sie – fast nicht gebraten – den Gang mit Flußkrebsen und Pastinakencreme. Ausgesprochen gut

Ravioli mit Lardo und Schneckenkaviar auf heißem Stein ist sowohl optisch, wie auch sensorisch der Clou des Abends. Einfach zuzubereiten und führt garantiert zu ungespielter Verblüffung. Der Schneckenkaviar unterscheidet sich von dem seiner schwimmenden Artgenossen durch erstaunliche Vielfalt im Duft. Zarte Cassis-Noten und der unwiderstehliche Duft regennasser Wiesen verzaubern die Sinne und bilden einen klaren Kontrast zum intensiv würzigen Lardo. Überraschend übrigens auch das Dessert. Zuckerschnecken auf Crème Brulée, mit Kumquats und eingelegten Vogelbeeren garniert. Crème, Quats und Beeren sind Bobo-Chi-Chi, die karamellisierten Schnecken – in Läuterzucker gekocht – dagegen ein echter Gewinn.

Noch was. Die Wiener Weinbergschnecke (und ihre Leber) ist auf bestem Weg, Arche des Geschmacks-Passagiere zu werden. Künftig auch als Bio-Schneck.

 

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