Meinl am Graben’s neuer Wurf

 

 

 

 

 

Österreich hat also ein neues Gourmetmagazin. Interessant. Interessant? Mitnichten. Ich habe es im Zeitschriftenladen im Westbahnhof entdeckt und die Zeit zwischen Wien und St. Pölten damit verbracht. Das reicht.

Das Heft ist groß, hat zwar nur 80 Seiten, ist aber auf mächtigem Papier gedruckt, also auch ziemlich schwer. Die Aufmachung ist stylish-modern, reduziert und eignet sich wunderbar als Deko-Element in einem kinderlosen Bobohaushalt. Am Glastisch vor der Ledercouch. Gleich neben dem polierten Granny Smith. Am Cover eine kühle Maid, deren einzige Bekleidung ein Brotkorb am Kopf ist aus dem ein paar Stangen Baguette ragen. Der Rest des Körpers ist mehlbestäubt. Weiter hinten im Heft finden wir dann noch einen Fotostrecke mit ähnlichen Bildern. Die Idee ist nicht neu. Roland Trettl hat sich daran schon abgearbeitet und gemeint, es wäre Kunst, wenn er einem Fotomodell einen Tintenfisch aufsetzt. Egal. Das Problem ist ein ganz anderes. Körperbild und Botschaft klaffen (sehr) weit auseinander. Oder ganz profan ausgedrückt, das Mädel ist so klapperdürr, dass es die italienischen Trüffel, die „Waldviertler Schätze“ oder die Süssweine vom Kracher (die gleich neben ihr auf den Heftinhalt hinweisen) nur vom Hörensagen kennt. Mehr noch – sie wendet sich sogar leicht angewidert von ihnen ab.

Der Heftaufbau ist ganz klassisch. Zu Beginn ein paar Shortcuts à la „Wussten Sie schon“, „Kurz & Gut“ und „Jetzt frisch“. Nett zu lesen, wenig wirklich Neues. Dann die Reportagen. Sauber recherchiert, brav geschrieben. Wirklich gut sind die Bilder. Dazwischen erstaunlich und erfreulich wenig (Fremd-) Inserate. Ärgerlich dagegen, dass scheinbar nichts mehr ohne diesem unsäglich dämlichen Carpe Diem-Zeugs geht. Das ist aber eine Geschichte. Eine Strecke mit Rezepten und eine Anleitung, wie ein Huhn zu tranchieren ist von René Berndorfer. Das hat Potential. Zu guter letzt noch eine Doppelseite mit Dingen, die gut aussehen, aber kein Mensch braucht. Vom Riedel-Dekanter in Mamba-Form bis zum Loos-inspirierten Sektkühler um knapp 3.000 Euro.

Das Heft bietet leicht oberflächlichen kurzweiligen Zeitvertreib. Wenig Erkenntnisgewinn, großteils gute Bilder und ein paar Meinl-Rabatt-Gutscheine. Womit auch wieder klar ist, dass es eigentlich kein Magazin, vielmehr eine aufgemotzte Meinl-Broschüre ist.

 

 

 

 

 

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