Johann Reisinger beschreibt seine Art zu Kochen, als ‚radikal natürliche Küche‘, und das beschreibt es ganz trefflich. Gottfried Lamprecht beschreibt seine Weine als ‚radikal natürliche Weine‘, und liegt damit ganz richtig. Irgendwas haben sie also gemeinsam, die beiden Steirer. In ihren „pur essen trinken“-Events bringen sie es auf den Punkt. Besser gesagt auf den Teller. Und ins Glas. Ein bodenständiges kulinarisches Erlebnis jenseits von Chi Chi und Schmafu, das Sie sich keinesfalls entgehen lassen sollten.
Hans beginnt die Veranstaltung mit einem „Frühlingskräutertee“. Das klingt nach „Hildegard von Bingen“ und „sehr gesund“. Es klingt nicht wirklich sexy. Ist es aber. Der Tee ist eine Essenz aus Brennnessel und Zitronenthymian und riecht erst einmal wie Gemüsesuppe. Ich meine eigentlich Blattspinat und ein wenig Brennnessel. Wirklich interessant wird der Tee im Burgunderglas (Die Spinnerei nehme ich auf meine Kappe. Die Gastgeber servierten ganz unprätentiös in schlanken Wassergläsern.) Aber das Burgunderglas hat dem Kräutertee wirklich gut getan. Das satte, deutliche Grün kommt hier wunderschön zu Geltung. Die Blattspinatnoten werden eine Spur erdiger und der ganze Tee bekommt eine leicht getreidige Note. Am Gaumen voll und weich und vor allem: trotz aller Wärme, Harmonie und erdig-weicher Aromen, hat der Tee eine enorm belebende Wirkung. Genau richtig für einen kalten Sonntag um halb 4.
Jedes pur essen trinken-Seminar hat ein Thema. Regionalität und Saisonalität sowieso und immer wieder, darüber hinaus gibt es aber auch einen thematischen Schwerpunkt. Heute ist Getreide dran. Nicht irgendeines. Alte Getreidesorten, die gekocht und so pur wie möglich verkostet werden. Nackthafer liegt neben Nacktgerste. Beide hell, am Gaumen leicht süßlich mit einer zarten Bitternote. Die Gerste eine Spur bissfester, als der Hafer. Auch eine spur nussiger im Geschmack. Daneben liegt Einkorn. Der erste Eindruck (der sich auch bestätigt) ist „nussig“. Aber auch recht mild. Vor allem im Abgang. Das nächste Getreidehäuferl ist Emmer. Mir in erster Linie vom Bier bekannt und deutlich rustikaler als die drei Vorgänger. Am Gaumen ist es allerdings etwas sämiger und mehliger als die drei zuvor verkosteten Getreidesorten. Am Ende noch das Waldstaudekorn. Letztes Jahr haben wir (Johannes Reisinger und ich sitzen gemeinsam in der österreichischen Arche-Kommission zur Erhaltung gefährdeter Pflanzensorten und Nutztierrassen) es in den Status eines Slow Food – Archeprodukts erhoben. Am Teller präsentiert sich das Korn mit dem größt möglichen Eigengeschmack. Konturiert, rustikal, anders. Einfach gut.
Herrenhof Lamprecht, Weisser Burgunder 2011
Theoretischer Einschub. 10 ha. Weingärten, die früher dem Stift Vorau gehörten. Vor 7 Jahren hat Gottfried mit der Neuauspflanzung am südlichen Hang des Buchertbergs begonnen. Der Keller ist stahltankfrei, und in Kürze kommen die ersten Fässer aus dem eigenen Wald. Das, spontane Gärung und viel Zeit. Mehr kann/will Gottfried Lamprecht nicht tun, um „sein“ Terroir in die Flasche zu ziehen. Die Böden sind übrigens leichte Sandböden, Schluff und verwitterter Sandstein. Beim Weißburgunder hat das zur Folge: Filigrane Mineralik, hochreife Steinobstnoten und Kletzenbrot. Ein trinkanimierender Jüngling, der noch viel Spaß machen wird. Gereicht übrigens zu Schlüsselblumen und schwarzem Roggen. Verdammt gut abgestimmt.
Herrenhof Lamprecht, Buchertberg Weiss 2011
Der Buchertberg Weiss ist ein Gemischter Satz. Weil das so seine Tradition hat in der Steiermark. 30 Sorten. Plusminus. Jedenfalls sind auch so Sachen dabei wie Veltliner, Riesling, Zierfandler, Rotgipfler und Mosler. Das war die Bezeichnung für den Furmint. Den hat es früher auch gegeben hier. Also kommt er in den Buchertberg. Erst in den Weingarten, dann in den Wein. Was sonst noch für Rebsorten drin sind, wollen wir gar nicht wissen. Es sind jedenfalls mehr, als das Kataster kennt. Aber beim Gemischten Satz sind wir nicht so genau. Der gehört so, wie er ist. Und das ist intensiv funkelndes Goldgelb, hocharomatisch, zitrusfrisch, Kardamom, Orangenzeste, vielfältig, spritzig und doch mit einer gewissen Ernsthaftigkeit. Serviert wurde der 11er Buchertberg übrigens zu Saibling & Frühlingskräutern, was eine absolut fantastische Idee war. Der Saibling kam einmal leicht in Vakuum gedünstet und einmal geräuchert daher. In einer Erdäpfelessenz und sensationell guten Gnocchi. Die Frühlingskräuter waren optischer Aufputz.
Herrenhof Lamprecht, Buchertberg Weiss 2010
Reifer, dunkler, tiefer, besser. Die Farbe ist zugegeben recht intensiv. Für dieses satte, strahlende und intensive Goldgelb hat meine geliebte Frau, die Urologin ihre eigenen Beschreibungen (Sie wissen, was ich meine …) Vanille und kernige Röstaromen rufen das große Holz in Erinnerung. Außerdem Koriander, Hollerblüte und Orangenschale. Reife Birne. Der Grauburgunder steuert eine wild-rauchige Note bei, der Rest ist Exotik pur: Ananas, Kokos, Banane. Nicht so vielfältig wie 2011, allerdings waren das auch „nur“ 3 Rebsorten: Weissburgunder, Grauburgunder und Sauvignon Blanc. Spannend ist übrigens das back label, das Rückenetikett. „Aus Wein aus Trauben aus biologischem Anbau. Enthält Sulfite. That’s it“. Mehr ist dazu nicht zu sagen. Just good. That’s it. Im Paarlauf mit Emmerkorn, Parmesan und Bärlauch. Gut.
Herrenhof Lamprecht, Buchertberg Rot 2011
Der kam zu Lamm, Kalb und Pastinake. Helles Rubinrot, blank. Frisch, rustikal. Hat was von ehrlichem, authentischen Pinot. Rote Beeren, Ribiseldicksaft, Brombeere. Aber genauso Waldboden und frische Pilze. Ein saftiger, ruppiger Bursche, hoher Trinkspaßfaktor. Unkompliziert und trotzdem substantiell. Lässt dem Lamm den Vortritt und unterstützt nach Kräften. „Best supporting actor“. Verdient.
Herrenhof Lamprecht, Weissburgunder 2010
Ein kühles, spätes Jahr. Ernte so um den 14. oder 15. Oktober. Der Wein selbst ist ähnlich wie 2011, nur wesentlich eleganter. Nussig, deutliche Noten nach Karamell, Fichtennadelsirup und Nashi-Birne. Der Wein entlockt den Gästen ein professionell geträllertes „Ein Prost mit harmonischem Klange“. Völlig überraschend aber perfekt zum Topaz-Sorbet und zum Soufflé.
In diesem Sinne, lieber Gottfried (und Team), lieber Hans. Weitermachen. Nächster Termin voraussichtlich Anfang Juli.
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