Karl Schnabel macht Weine ohne Schwefel. Hauptsächlich Rotweine. Und die Weine sind gut. Einige sogar groß. Ein guter Grund, sich das genauer anzusehen.
Es gibt wenige Beispiele, bei denen sich Charakter, Aura und äußeres Erscheinungsbild des Winzers so deutlich im gekelterten Wein widerspiegeln. Didier Dagueneau von der Loire gehörte dazu. Als Person der personifizierte Archetyp des „Wilden Mannes“, machte Dagueneau wilde Weine. Individuell, terroirgeprägt und kompromisslos. Genau wie Karl Schnabel.
Kompromisslos geht der Weinhauer (ich komme später darauf zurück, weshalb ich genau diesen Begriff wähle) seinen Weg. Er pflanzt vorwiegend Rotweinsorten an. Blaufränkisch, Zweigelt und – sein Flaggschiff – Pinot Noir. In der Steiermark gab es bislang nur einen nenneswerten Rotwein. Aus Kapfenstein. Nenneswert auch nur deshalb, weil in der Wein- und Gastronomieszene weithin bekannt. Als Wein aber eher belanglos. Karl Schnabels Weine dagegen sind tiefgründig, unglaublich mineralisch, kantig und profiliert, und unwahrscheinlich kraftvoll. Ohne dabei übertrieben alkoholisch zu sein. Im Gegenteil, die Weine haben im Schnitt 12 % Alkohol und stemmen sich auch damit gegen den Mainstream.
Schnabels Lagen, Hochegg und Kreuzegg, liegen bei Kitzeck am Sausal, einem Inselberg aus dem Paläozoikum. Das macht die Böden einzigartig. Da nie überflutet, fehlen hier die in der Südsteiermark sonst recht präsenten Kalkablagerungen. Für die Weine bedeutet das eine Umkehr der Achsen. Kaum Breite, dafür sorgt das silikatische Urgestein für atemberaubende Tiefe.
Themenwechsel: Schwefel. Weine ohne die Zugabe von Schwefel auszubauen ist en vogue. Jedenfalls wird unglaublich viel darüber geschrieben, diskutiert und philosophiert. In der Szene, aber auch darüber hinaus. Vereinzelt machen Winzer großartige Weine. Niki Mosers Grüner Veltliner Minimal ist so ein Wein. Oder der Riesling schwefelfrei von Fritz Salomon. Jene Winzer allerdings, die ihr Sortiment auf breiter Basis ohne Schwefel ausbauen, sind rar. Mit 4 von 5 Weinen gehört Karl Schnabel eindeutig zu dieser Gruppe.
Schwefel – genauer gesagt, seine gebundene Form Schwefeldioxid – ist ein Stoff, der den Wein vor Oxidation „schützt“ und in der Weinbereitung so alt ist, wie der Wein selbst. Soll heissen, dass ihn schon die alten Römer gekannt und eingesetzt haben. Zwei Argumente werden immer wieder für den Schwefel ins Treffen geführt. Zum Einen der Hinweis, dass Schwefel ein natürlicher Stoff (und damit eh gar nicht so schlimm) sei. Stimmt. Aber Quecksilber, Plutonium oder Arsen sind auch natürliche Stoffe. Essen oder Trinken will sie trotzdem niemand. Zum Anderen die Geschmacksfrage. Weine ohne Schwefel entwickeln sich anders. Und zwar vom Start weg. Möglicherweise müssen wir das Verkosten und Bewerten von Weinen neu lernen, aber dieser Neustart zahlt sich aus.
Der Pinot Noir Hochegg 2008 ist ein Parade-Burgunder. Helles, strahlendes Rubinrot, expressives, rustikales Aroma. Neben einem Hauch reifer, exotischer Frucht (vor allem Orange), die wie leichter Nebel über dem Wein zu schweben scheint, ist der Grundton (feuchtes Unterholz, Fichtennadeln und Moos) wie ein widerhallendes Echo wahrnehmbar. Beeindruckend. Außerdem hat der Wein Länge, Kraft und Druck. Und ein unglaubliches Entwicklungspotential. Auch ohne Schwefel. Der Zweigelt von der Lage Kreuzegg und der Blaufränkisch Hochegg stehen dem Wein um nicht viel nach.
Karl Schnabels Weine sind Meisterwerke winzerischer Handwerkskunst. Dass es Meisterwerke sind, habe ich hinlänglich beschrieben. Das Handwerk zeigt sich in seinem Zugang. Keine Maschinen im Weinberg. Mit einer Karsthaue werden die Wurzeln bei den Knoten (Nodien) entfernt, die biodynamischen Präparate werden händisch gerührt, im Keller ohne viel Technologie gearbeitet.
Das alles macht die Weine des Steirers nicht gerade zu Schnäppchen. Aber für „Geiz ist geil“-Geister sind sie ohnehin nicht bestimmt. Glauben Sie mir, die Weine sind jeden Euro wert.
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