Il Soave – 2 Seelen wohnen, ach, in meiner Brust

 

 

 

 

 

Es ist eine zauberhafte, hügelige Landschaft. Rund um das Castello di Soave im Veneto wachsen einige der interessantesten Weissweine Italiens. Man muss nur wissen, wo.Die Suche ist spannend und führt nach Roncà, Fittà und Monteforte d’Alpone. Ins Kerngebiet des Soave Classico. Wenn man, vom Brenner kommend, die Autobahn Richtung  Süden fährt – die Dolomiten liegen längst hinter uns – kommt man am südlichen Ende des Gardasees zum Autobahnkreuz, bei dem es entweder nach Osten, also weiter Richtung Venedig oder nach Westen (Turin, Mailand) geht. Entscheidet man sich hier für den Osten, ist man gleich einmal im kleinen Ort Soave, ungefähr 30 Kilometer östlich von Verona. Soave?! Kennen wir! Bei Aldi, Hofer & Co. gibt es Soave um ,99. „Meint er das jetzt ernst?“, höre ich Sie fragen. Meint er, weil es in der Region brodelt. Der Soave und damit auch die Rebsorte Garganega gewinnt immer mehr an Profil und entwickelt sich (dank seiner zweifelhaften Vergangenheit) zum meistunterschätzten Weisswein Italiens. Dabei ist er mit Sicherheit der italienischste unter den Weissen des Landes. Es gibt mittlerweile auch einen ganzen Haufen sensationaller Biobetriebe in der Region. La Cappuccina in Fontègo oder Gino Fasoli (der auch sensationell guten Amarone della Valpolicella hat).

 

Ein Winzer verdient aber besondere Aufmerksamkeit. Filippo Filippi von der Cantina Filippi. Hier lohnen sich: Besuch, Wanderung durch die Weingärten (die großteils in Waldlichtungen liegen), Verkostung, Einkauf. Der Besuch startet mit einem kleinen Spaziergang durch Filippis Lagen. Das Terroir oszilliert zwischen Kalk und vulkanischem Basalt.  Die Reben wachsen in traditioneller Pergola-Erziehung mit so geringen Erträgen, dass Winzer aus der Po-Ebene höchstens mitleidvoll lächeln würden. In der Spitzenlage “Vigne della Brà” sind das nur 28 hl/ha. Was allerding dafür in die Flasche kommt, ist so außergewöhnlich und gut, dass bei einer Blindverkostung kein Mensch einen Soave vermuten würden. Das hat Schmelz, Mineralik und fast burgundische Tiefe. Der Brà ist noch hefig und jung, hat aber Komplexität und das Zeug für eine langes, erfülltes Leben. Der kleine Bruder, der Castelcerino Colli Scaglieri ist anders. Alles ist ein wenig reduzierter. Mineralisch, aber ein Spur kalkiger. Die Fruchtnoten sind vielleicht etwas ausgeprägter, als beim Lagenwein. Unreife Zitrusfrucht, Kumquats, grüner Apfel und frische Quitte. In jedem Fall ein verdammt guter Einstiegswein. Kein Zweifel. Bei Filippi sehen sie mich wieder.

 

Filippis Nachbar – man geht keine drei Minuten – ist die Cantina Coffele (beide liegen übrigens in Castelcerino die Soave). Auch dieses Weingut hat beachtliches zu bieten. Einen sensationellen Ausblick auf die sanften Hügeln der Appellation, ein paar entzückende Bonsai-Rebstöcke im Garten vor dem Haus und einen Basiswein, der ohne weiteres als Markstein für den frischen Wind beim Soave gelten kann. Der Soave Classico 2013 (über das Jahr und seine Bedeutung für die Entwicklung der Appellation erzähle ich später noch mehr) ist ein solides Fundemant. Zu Beginn zeigt er sich noch schüchtern, zurückhaltend. Mit Zeit und Luft zeigt er allerdings eine Feinheit und Eleganz, die man von Soave so nicht kennt. Gibt man ihm noch mehr Zeit, kommen da auf einmal sehr überraschende Töne daher. Sternanis, Pastis. Auch hier wieder: sehr beachtlicher Basiswein und einer, der darauf neugierig macht, was von der Cantina sonst noch in Flaschen gefüllt wird. Der Schaumwein zum Beispiel. Der Soave Spumante Brut DOC ist ein Charmeur sondergleichen. Hochfeine Perlage, spritzige Säure, weisse Blüten und geröstete Nüsse. Mandeln vor allem.

 

Es sind – wie schon in der Headline steht – zwei Seelen, die in des Soaves Brust wohnen, und der Schatten der einen reicht leider weit. Sehr weit. Wir sprechen hier von knapp 45 Millionen Flaschen, die als Soave DOC abgefüllt (und großteils zu Spottpreisen verkauft) werden. Betriebe wie Filippi, Coffele und andere versuchen hier gegen den Strom zu schwimmen. Mit Ertragsbeschränkungen, händischer Lese und einer Besinnung auf klassische Pergola-Erziehung. Diese Weine gilt es zu suchen. Sie sind klarerweise teurer als die Massenweine, aber jeden Cent wert. Der Jahrgang 2013 könnte helfen, das Image des Soave aufzupolieren. Die Soave Classicos der DOC haben quer durch eine spannende und kernige Säure und hauchen damit dem ‚italienischsten aller italienischen Weissweine’ neues Leben ein. Verglichen mit den eher schlaffen und profillosen Tankstellen- und Pizzeria-Soaves wirken diese Weine lebendig, geradlinig und kompakt. Die Erträge fielen wetterbedingt etwas geringer aus, als 2012. Allerdings war es auch das Wetter, genauer gesagt die schnelle Abkühlung in den frühherbstlichen Septembernächten, das für Säure, Frucht und Lebendigkeit sorgte.

 

Also. Sucht sie. Holt sie Euch. Die ganz guten heissen (neben den genannten): Gini, Calvarino, La Rocca, La Battistelle, i Prandi oder Monte Tondo. Ihr werdet sie finden. Hier noch der Link zur Bildersammlung.

Und klarerweise ist der Beitrag auch im Dorit Schmitts Magazin Herbstgenüsse zu finden.

Offenlegung: (Danke, Thorsten Goffin für die Formulierung) Die diesem Bericht zugrundeliegende Reise ins Soave unternahm ich auf Einladung und Kosten des Consortio Tutela Vini Soave (vertreten in Person der ebenso charmanten wie reizenden Sofia Biancolin.

 

 

 

 

 

 

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