The Omnivore’s Dilemma. A Natural History of 4 Meals

 

 

 

 

 

Das Buch ist kein neues. Es ist 2006 in Amerika erschienen und hat dort eingeschlagen, wie die sprichwörtliche Bombe. Pollan ist ein doppelter Coup gelungen. Einerseits wurde The Omnivore‘s Dilemma praktisch über Nacht zum Bestseller. Andererseits traf Autor Michael Pollan den Nerv der Zeit und löste mit seinem Buch ausgerechnet im Homeland von Kentucky Fried Chicken oder Burger King nicht nur eine intensive Diskussion, sondern auch noch eine veritable Verhaltensänderung in Sachen Essgewohnheit aus.

Pollan wurde dadurch zu einer intellektuellen Leitfigur der Slow Food Bewegung. Am Beispiel von vier verschiedenen Mahlzeiten erklärt uns der Autor seinen persönlichen Zugang zu Landwirtschaft, Ernährung und Essen. Die ersten beiden Mahlzeiten bestehen dabei aus (in den USA) leicht erhältlichen, industriell produzierten, biologischen wie konventionellen Lebensmitteln. Eine zentrale Position nimmt dabei der Mais ein, der für Pollan den historischen Ausgangspunkt der industriellen Landwirtschaft einnimmt. Der Autor zeichnet mit spitzer Feder und enormem sprachlichem Feingefühl für Ironie die Karriere der Maispflanze im amerikanischen Corn-Belt nach. Und er gibt illusionsbefreiende Antworten auf die Frage, auf welche Wege diese exorbitant große Maismenge ihren Weg in unser Ernährungssystem findet. Einen wichtigen Aspekt bildet auch die Energie-Frage. Genauer gesagt jene Energie, die für die Produktion von Lebensmitteln erforderlich ist. In bezug auf die Produktion von Mais liest sich das bei Pollan so: „Vom Standpunkt der industriellen Effizienz aus ist es wirklich schade, dass wir das Erdöl nicht einfach trinken können, weil in einem Scheffel Mais (in Kalorien gemessen) viel weniger Energie steckt als in den knapp zwei Litern Öl, die zu seiner Erzeugung erforderlich sind. Ökologisch ist das eine sagenhaft kostspielige Art und Weise, Nahrung zu produzieren ..“.

Der Mais ist für Pollan die „Schlüsselspezies“ der modernen Landwirtschaft. Mais ist es, was den Jungochsen ernährt, der zum Steak wird. Mais ernährt das Huhn und das Schwein, den Truthahn und das Lamm. Den Seewolf und den Buntbarsch und in zunehmendem Maße sogar den Lachs, von Natur aus Fleischfresser, der gerade auf Maisverträglichkeit gezüchtet wird. Ganz zu schweigen von der modifizierten Maisstärke, die Formfleisch (wie etwa die beliebten Chicken McNuggets) zusammenhält oder High Fructose Corn Syrup, einen synthetischen Süßstoff auf Maisbasis. Pollan schließt daraus, dass wir den Mais von einem Feld in Iowa in einem Großteil der durchschnittlich 45.000 Produkte eines durchschnittlichen amerikanischen Supermarkts finden. Für europäische Supermärkte sieht die Situation nur unwesentlich anders aus. Das ist das Omnivorendilemma. Als „Allesfresser“ haben wir die Wahl, und genau diese Wahl wird uns durch das enorme (Über-)Angebot schwer gemacht: Was sollen wir um Himmels Willen essen?? Beim Thema Fleisch ist Pollan genau in seinem Element. Die Kapitel zur Ethik des Fleischkonsums nehmen einen umfangreichen Teil seines Buches ein. Für Pollan ist „ … das Essen von Fleisch moralisch problematisch geworden, zumindest für Menschen, die sich die Mühe machen, darüber nachzudenken“. Für dieses Nachdenken liefert er auch gleich das entsprechende Argumentarium mit. Pollan will es ganz genau wissen und entscheidet sich, einen Jungochsen (Nr. 534) zu kaufen und dessen Leben zu begleiten und zu dokumentieren. Aus reinem Erkenntnisinteresse. Durch diese eigenwillige Beziehung erfahren wir einen tiefen Einblick in die Abgründe der industriellen Fleischproduktion.

Zusammengefasst ist handelt es sich beim Leben von 534 um einen (unglaublich schnellen) Umwandlungsprozess von Mais in Fleisch. Keine Station lässt Pollan aus: die Umstellung des Grasfressers auf Getreide, die Entwöhnung vom Muttertier, das Feedlot, den Kill Floor. Am Ende steht ein steakbepackter Jungstier, ein Rohstoff für die Fast Food-Industrie. Auch hier belegt Pollan den erforderlichen Energie-Einsatz und lässt in seine Folgerungen auch die Gedanken von Tierrechtsphilosophen wie Peter Singer einfließen. Aus den Darstellungen kann jeder seine eigenen Schlüsse ziehen. Derzeit erleben Vegetarismus und Selbstversorgung einen sichtbaren Aufwind, ohne dabei in die rigide Dogmatik vergangener Jahrzehnte zurückzufallen. Autoren wie Michael Pollan ist es zu verdanken, dass die Diskussionen über unsere Lebensmittel ein breites Publikum erreicht hat, das sich an dieser Diskussion auch rege beteiligt.

Summa summarum ein wichtiges und lesenswertes Buch. Auch wenn es reichlich Speck um die Mitte und deshalb auch den einen oder anderen Durchhänger hat. Dagegen hilft die Lektüre des englischen Originals. Alleine die Übersetzung des Titels sollte Sie überzeugen: Das Omnivoren Dilemma. Wie sich die Industrie der Lebensmittel bemächtigte und warum Essen so kompliziert wurde.“

 

 

 

Michael Pollan: The Omnivore’s Dilemma. A Natural History of  Four Meals
Penguin Books

ISBN-10: 0143038583
ISBN-13: 978-0143038580

 

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