Vitovska, ein schräger Welsch und gute Franzosen

 

 

 

 

 

12. April 2012, fritz Wein Café, Kufstein. Am Programm stehen Austern und weisse Weine.Die Wirte Judith & Fritz Rupprechter laden – gemeinsam mit Hans Holletz – zur Weisswein- und Champagner-Verkostung. Mit Austern. Der Abend hatte versprochen, ein ganz spannender zu werden. Und er hat es gehalten. Ich beschränke mich hier auf die Notizen zu den Weinen. Dort, wo die Kombination zu den Austern außergewöhnlich war, sage ich es.

 

2010 WEISSENKIRCHNER Zwerithaler Smaragd, Tegernseerhof
(Für mich) eine Entdeckung. Mittleres Strohgelb, blitzsauber, expressiv. Juvenil. Eigentlich wenig Sortentypizität. Überhaupt ein recht eigenwilliger Wachauer. Dafür eine fordernde aber sympathische Nase. Reife Birne, Heublume. Trocken, frische, knackige Säure. Spannende Wahl zur Auster.

2008 WEISSER SCHIEFER S, Uwe Schiefer
Kein Wein für die Austern. Dafür aber für (fast) alles andere. Eine Überraschung auf ganzer Linie. Im Glas tiefdunkles, sattes goldschimmerndes Gelb mit engmaschigen, ganz langsam abfließenden Schlieren. Diese „Kirchenfenster“ sind ein weit geöffnetes Tor zur Kontemplation. In der Nase offenbaren sich Aromen, die weit weg von der primären Rebsorte, dem Welschriesling (!) sind. Burgundische Eleganz und geballte Kraft gleichermaßen. Die Aromen sind reif und fruchtig und erinnern an alles, was gelb ist. Reife Quitte, Banane, Apfeldicksaft. Das Barrique macht sich als rauchige Würze bemerkbar. Leicht süsslich. Kardamom. Nase versenken und versinken. Ein Wein zum Riechen und Schwärmen. Fast vergesse ich, den Wein zu kosten. Auch am Gaumen ist der „S“ eine Wucht. Der erste Schluck wirkt wie der joviale Schulterschlag eines Hünen. Kraftvoll, wuchtig und trotzdem ein tolles Gefühl auslösend und hinterlassend. Genug. Der Wein ist einfach großartig.

2010 MUSCADET SÈVRE ET MAINE sur lie AOC La Grande Reserve Moulin, Domaine Gadais Père & Fils
Ein kleiner Wein im großen Glas. Hilft ihm auch nicht. Als Begleiter zur Auster eine Banque, weil seit Urzeiten Tradition. Als Wein sauber aber ehrlich entbehrlich. Hell, kühl, ein Bisserl Brioche. Brüchige Mineralik, die wie ein feiner Film über dem Wein liegt. Trocken, filigran. Zurückhaltend. Vielleicht doch lieber ins kleine Glas.

2010 CHABLIS, Louis Michel et Fils
Kein Grands, kein Premiers aber auch kein Petits. Just Chablis. Das aber ordentlich. Frische und jugendliche Erscheinung. Vollmundige Frucht, vor allem Orangen und Orangenchale. Eventuell auch Kumquats. Trocken. Am Gaumen auch ein attraktives Maß mineralischer Frische. Pfirsich, Marillen und andere Steinobstnoten. Stahlige Säure, frischer Abgang. Trinkspassfaktor!!! Zur Auster sowieso.

CHAMPAGNE brut, Duval Leroy
Neben Fleury MEINE Marke. Furztrocken, belebend, mit beachtlichem Druck und Kohlensäure ausgestattet, strahlendes Strohgelb. Die Nase ausgeprägt gelbfruchtig. Quittenchutney, reife Birne. Warmer, süsser Hefeteig. Brioche eben. Zarte Honiganklänge. Hell und blütig. Hat Kraft, Struktur und Eleganz. Hin und wieder deutet der brut sogar Aromen leicht gereifter Jahrgangschampagner an. Zur Auster ein Erlebnis. Auch zur zweiten. Und zur dritten …

CRÉMANT d’ALSACE brut, Henri Kieffer & Fils
Hell, einfach gestrickt, aber unglaublich gefällig. Handfest, trocken, easy going. Zitronensirup, spritzig. Extrem junge, hefige und frisch-fruchtige Nase. Der Crémant tänzelt verspielt im Glas und verspricht unkompliziertes Trinkvergnügen. Hält es auch. Nichts tiefgreifend-komplexes. Dafür ging auch eine zweite Flasche.

2010 MACON Villages AOC, Les Heritiers Comte Lafon
Wieder so ein respektabler Chardonnay aus Frankreich. Strohgelb, kaum sichtbarer Kern. Sauber, jung, reife Zitrusfrucht. Überraschend harmonisch. Baguette, Mandarine und ein paar indifferente Noten, die entfernt an Exotisches erinnern. Trocken, elegant. Die Säure ist stahlig und wohlig zu gleichen Teilen. Eine Dorfschönheit.

2010 CROZES HERMITAGE AOC Les Terres blanches, Domaine Belle
Rousanne. Marsanne. Die „weisse Erde“ im Namen kommt von der Kalkauflage, die über dem sonst recht steinigen Unterboden liegt. Diese Formation charakterisiert auch den Wein. Kristallklare, karge Mineralik, die förmlich zwischen den Zähnen knirscht, begleitet von sandiger Breite. Fenchel (!!) und frische Krauseminze. Auch am Gaumen wieder eine fetzige Minaralik. Getragen von rassiger Säure. Einfach großartig.

VITOVSKA CARSO DOC, Sandi Škerk
Die Farbe weckt medizinische Assoziationen. Fachbereich Urologie. Sollte eine Probe einmal so aussehen, ist garantiert Feuer am Dach. Sorry, aber der Wein ist definitiv nicht fürs Auge gemacht. Auch nicht für DAC-Anhänger, Frischweinfetischisten und Primärfruchtfanatiker. Davon hat er nichts. Aber von vielem anderen sehr viel, und das hat was. Der Wein riecht enorm expressiv, kantig und rauh. Leicht oxidativ. Was an Frucht da ist, ist Quitte pur. Reif. Ausbautypischer Stil für Weine, die maischevergoren und mit wilden Hefen in archaischen Behältnissen zu Wein werden. Der Stoff ist groß, saftig und macht enorm Spass. Wenn man sich darauf einlässt. Und das sollte man. Zur (letzten) Auster ein Gedicht und für mich das „Paar des Abends“.

 

 

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